»Má vlast« – Bedřich Smetanas Zyklus »Mein Vaterland«

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Zum KONZERT 3 betritt Chefdirigent Leo McFall die Bühne und dirigiert den gesamten Zyklus des Jahresregenten Bedřich Smetana: Má Vlast, Mein Vaterland, bestehend aus sechs Tondichtungen. Hier sprudelt, tanzt und strömt nicht nur die weltbekannte Moldau durch die tschechische Landschaft, Sie hören auch Legenden und historische Begebenheiten in großartige Musik gesetzt und damit ein Werk, das sich in seinem „Vaterland“ zu einem nationalen Kulturgut entwickelt hat. Leo McFall betont die starken inneren Zusammenhänge der einzelnen Teile untereinander, darum gibt es in diesem ca. 80-minütigen Konzert keine Pause. Die Gastronomie in unseren Konzerthäusern wird aber jeweils eine Stunde vor und nach dem Konzert geöffnet haben.

1. Vyšehrad

Die Burgfeste Vyšehrad in Prag ist der Schauplatz der ersten symphonischen Dichtung, von hier aus hat die sagenhafte Urmutter der Tschechen, Libuše, das Land weise und gerecht regiert und die Gründung der Stadt Prag prophezeit. Die Musik erzählt von glanzvollen Zeiten der Burg Vyšehrad, von siegreichen Schlachten und glanzvollen Ritterturnieren, aber auch von erbitterten Kämpfen, verwüsteten Hallen und dem Gedenken an vergangenen Ruhm.

2. Vltava – Die Moldau

Als Paradebeispiel für Programmmusik gilt der bekannteste Teil, der auch sehr eigenständig funktioniert: die weltberühmte Moldau. Das Programm hat Smetana direkt in die Noten geschrieben und wir hören wie der Fluss an den „beiden Quellen“ entspringt, sich das Flötenmurmeln mit den Klarinetten vereint, bevor die Streicher übernehmen und das lustige Flüsschen erst eine „Waldjagd“ begleitet, später an einer „Bauernhochzeit“ vorüberfließt und im „Mondschein“ Kulisse für einen „Nymphenreigen“ ist. Wenn die Moldau dann die „St. Johann-Stromschnellen“ erreicht, ist sie zu einem großen Fluss angewachsen – dementsprechend wild passiert sie die Wasserfälle und „strömt breit dahin“, an Prag und dem Vyšehrad vorbei, bevor sie „in der Ferne“ in die Elbe „entschwindet“.

3. Šàrka

Die Legende von Šárka, der Kriegerin, schließt an die Libuše-Legende an und wird immer wieder verschieden erzählt. Hier eine Variante, die dem musikalischen Verlauf besonders nahe ist: Nach Libušes Tod übernehmen die Männer die Macht, entlassene und betrogene Kriegerinnen bilden ein Frauenheer, das Rache schwört. Die schönste unter ihnen, Šárka, soll die Männer in die Falle locken, lässt sich an einen Baum binden und ruft um Hilfe. Die Männertruppe findet sie; Anführer Ctirad verliebt sich auf den ersten Blick und bindet sie los. Smetana schreibt dem Pärchen eine wundervoll-romantische Szene, die in einen lustigen Tanz mündet, denn es gibt für alle genug (mit Schlafmittel versetzten) Wein, um zu feiern. Als die Gesellschaft müde wird und einschläft, gibt Šárka mit ihrem Horn das verabredete Zeichen an die Gefährtinnen, welche im wilden Rausch an den Männern blutige Rache nehmen.

4. Z českých luhů a hájů – Aus Böhmens Hain und Flur

Eine Naturschilderung vom Feinsten ist die vierte symphonische Dichtung, welche bei ihrer Uraufführung wirklich den böhmischen Nerv traf. In einer Rezension heißt es: „Jedes Thema ist von so entschieden tschechischem Charakter, dass es uns vorkommt, als würden wir uns in jedem wie in einem Volkslied betrachten.“ Auch wenn Smetana dazu meinte, jeder könne sich diese Natur so ausmalen, wie es ihm gefiele, hören wir ganz deutlich einen Wallfahrerchoral und natürlich darf eine Polka nicht fehlen. Mit dem kraftvollen Finale sollte der Zyklus ursprünglich sein Ende finden, erst drei Jahre später wurden noch zwei Teile angefügt.

5. Tábor

Nachdem der „Nationalheilige“ und Reformator Jan Hus als Ketzer auf dem Scheiterhaufen brannte, zogen sich seine Anhänger in die Stadt Tábor zurück. Von dort gingen die Angriffe der „Taboriten“ auf die katholischen Feinde aus, sie werden heute noch als patriotische Freiheitskämpfer gesehen. Der Hussitenchoral „Ktož jsú boží bojovníci“, „Die ihr Gottes Streiter seid“ stellt die musikalische Grundlage dieses Teils, „grau in grau“ beschreibt Smetana selbst diese Musik zu diesem dunklen Kapitel der tschechischen Geschichte, in der er Kampf und Niederlage beschreibt, mit Marschrhythmen und düsteren Fanfaren.

6. Blaník

Und dann leitet er fast attacca weiter in den letzten Teil: Blaník, der Berg, in dem sich die Hussiten nach der letzten Schlacht zurückgezogen haben und – in tiefem Schlaf ruhend – auf den Tag warten, an dem Tschechien sie wieder brauchen wird und sie, angeführt vom Heiligen Wenzel, in die Schlacht ziehen werden. Der Choral wird wieder zitiert, und der Triumphmarsch, den Smetana da am Ende komponiert, mit Pauken und Trompeten und einer Wiederaufnahme des Vyšehrad-Motivs, hält für seine Landsleute eine ganz klare Botschaft bereit: ihr werdet es schaffen und eine eigenständige Nation sein!

Der Jubel, der bei der Uraufführung in Prag 1880 ausbricht, ist gigantisch, aber Smetana kann ihn nicht hören, während der Arbeit am Zyklus ist er völlig ertaubt. Er genießt ihn trotzdem, hat er doch sein Ziel erreicht: der größte Komponist tschechischer Musik zu sein.