KONZERT 4
14. Januar 2023, 19.30 Uhr · Montforthaus Feldkirch
15. Januar 2023, 17.00 Uhr · Festspielhaus Bregenz
Béla Bartók
»Herzog Blaubarts Burg« (»A kékszakállú herceg vára«)
Oper in einem Akt, op. 11 (1918), konzertante Aufführung
In ungarischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Libretto: Béla Balázs
Deutsche Übersetzung: Eva Maria Wildemann-Duday
Übertiteltext: Christian Arseni
Libretto und Übertitel wurden uns mit freundlicher Genehmigung
von den Salzburger Festspielen zur Verfügung gestellt.
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PROLOG DES BARDEN
Ach, meine Mär,
Ich verberge sie.
Wohin, wohin soll ich sie verbergen?
War es einmal, war es nicht:
Draußen oder innen?
Alte Mär, ach, was bedeutet sie,
Ihr Männer und Frauen?
Nun erklingt das Lied.
Ihr schaut mich, ich schaue euch an,
Der Vorhang unserer Augenwimpern
ist auf,
Wo ist die Bühne: draußen oder innen,
Ihr Männer und Frauen?
Bittere und glückliche
Denkwürdige Dinge,
Die Welt draußen ist voller Feinde,
Aber nicht daran sterben wir,
Ihr Männer und Frauen.
Wir schauen einander an, schauen,
Erzählen unser Märchen.
Wer weiß, woher wir es haben?
Wir hören es an und staunen,
Ihr Männer und Frauen.
Musik klingt, die Flamme brennt,
Es beginne das Spiel.
Der Vorhang meiner Augenwimpern
hebt sich.
Klatscht Beifall, wenn er sich senkt,
Ihr Männer und Frauen.
Alt ist die Burg, alt
Die Sage, die davon erzählt,
Auch ihr sollt sie hören.
Mächtige, runde, gotische Halle.
Links führt eine steile Treppe zu einer
kleinen eisernen Tür. Rechts von der
Treppe sind in der Mauer sieben große Türen
zu sehen. Sonst weder Fenster noch Dekoration.
Die Halle gleicht einer leeren, dunklen,
düsteren Felshöhle. Beim Öffnen des Vorhangs
bleibt die Bühne dunkel, darin verschwindet
der Barde.
(Plötzlich öffnet sich oben die kleine
eiserne Tür, und im blendend weißen Schein
der Türöffnung erscheinen die schwarzen
Silhouetten Blaubarts und Judiths.)
BLAUBART
Wir sind am Ziel. Schau sie dir an:
Das ist Blaubarts Burg.
Nicht so glänzend wie die deines Vaters.
Willst du mir noch immer folgen, Judith?
JUDITH
Ja, ich folge dir, Blaubart.
BLAUBART
Hörst du nicht das Sturmgeläute?
Trauer trägt schon deine Mutter,
Vater rüstet das scharfe Schwert,
Bruder sattelt das schnelle Pferd –
Folgst du, Judith, mir noch immer?
JUDITH
Ja, ich folge dir, Blaubart.
BLAUBART
Bleibst du stehen? Willst umkehren?
JUDITH (presst die Hände an die Brust)
Nur mein Rock, der blieb hängen,
Nur mein schöner, seidener Rock.
BLAUBART
Oben steht die Tür noch offen.
JUDITH (steigt einige Stufen herab)
Blaubart!
Verließ ich doch Vater, Mutter,
Verließ meinen lieben Bruder,
Verließ sogar Verlobten mein’
Und zog mit dir, um hier zu sein,
In deiner Burg.
Blaubart! Jagtest du mich fort,
Blieb’ ich auf der Schwelle stehen,
Würd’ ich mich darüber legen.
BLAUBART (schließt sie in die Arme)
Möge sich die Tür jetzt schließen.
(Die kleine Eisentür oben schließt sich.
Die Halle bleibt etwas erhellt, gerade
um die zwei Gestalten und die sieben
schwarzen Türen zu unterscheiden.)
JUDITH
Dies ist also Blaubarts Burg!
Keine Fenster? Keine Erker?
BLAUBART
Keine.
JUDITH
Scheint umsonst die Sonne draußen?
BLAUBART
Umsonst.
JUDITH
Bleibt sie kalt? Bleibt sie dunkel?
BLAUBART
Kalt, dunkel.
JUDITH (tritt nach vorne)
Wer das sähe, würde schweigen,
Flüsternd’ Kunde würd’ verstummen.
BLAUBART
Hast du Kunde?
JUDITH
Ach, wie dunkel ist deine Burg!
Nass ist die Wand! Blaubart!
Wasser tropft mir auf die Hände.
Deine Burg weint! Deine Burg weint!
BLAUBART
In der Burg deines Geliebten
Wär’ es wohl schöner, Judith:
Weiße Wand, bedeckt mit Rosen,
Sonnenstrahl umspielt die Dächer.
JUDITH
Tu mir nicht weh, tu mir nicht weh, Blaubart!
Will nicht Rosen, will nicht Sonne,
Will nicht Rosen, will nicht Sonne,
Brauch’ all das nicht …
Ach, wie dunkel ist deine Burg!
Ach, wie dunkel ist deine Burg!
Ist so dunkel … Armer, armer Blaubart.
BLAUBART
Warum folgtest du mir, Judith?
JUDITH (springt auf)
Nasse Wände werd’ ich trocknen,
Mit den Lippen werd’ ich trocknen.
Kalte Steine werd’ ich wärmen,
Mit dem Leibe werd’ ich wärmen.
Darf ich das tun, darf ich das tun,
Blaubart?
Und die Burg wird nicht mehr dunkel,
Wenn zu zweit wir Wände öffnen.
Winde sollen sie durchwehen,
Sonne soll sie hell durchfluten,
deine Burg soll hell erstrahlen!
BLAUBART
Meine Burg wird nicht erstrahlen.
JUDITH (geht rechts gegen die Mitte zu)
Komm und führ mich, Blaubart,
Überallhin sollst mich führen.
Türen seh’ ich, groß, geschlossen,
Sieben Türen schwarz, geschlossen.
Warum hältst du sie verschlossen?
BLAUBART
Keiner soll dahinter schauen.
JUDITH
Öffne, öffne! Mir sollst du sie öffnen,
Alle Türen sollst du öffnen!
Wind soll wehen, Sonne scheinen!
BLAUBART
Denke daran, was erzählt wird!
JUDITH
Deine Burg soll sich erhellen,
Deine Burg soll sich erhellen!
Deine arme, dunkle, kalte Burg!
Öffne! Öffne! Öffne!
(Sie rüttelt an der ersten Tür. Auf das
Rütteln ertönt ein klagender, tiefer Seufzer.
In langen, niedrigen Gängen heult ähnlich
der nächtliche Wind.)
JUDITH
Weh, Weh! Was war das?
Woher kommt das? Wer hat geseufzt?
Blaubart! Deine Burg war es!
Blaubart
Ist dir bange?
JUDITH (leise weinend)
Ach, wie deine Mauern klagen!
BLAUBART
Fürchtest du dich?
JUDITH
Ach, wie deine Mauern klagen!
Lass uns öffnen, komme mit mir!
Ich will öffnen, nur ich allein.
Leise, sachte will ich öffnen,
Leise, sachte, leise.
Gib den Schlüssel, Blaubart,
Gib den Schlüssel – ich liebe dich!
BLAUBART
Gesegnet ist deine Hand, Judith.
JUDITH
Ich danke dir, ich danke dir.
Ich will öffnen, ich alleine.
(Sie geht zur ersten Tür zurück.
Beim Aufschließen des Schlosses
ist wieder der Seufzer zu hören.)
Hörst du es? Hörst du es?
(Die Tür geht auf, ein blutrotes
Viereck – einer Wunde ähnlich –
wird sichtbar. Hinter der Tür,
aus der Tiefe kommend, wirft
rote Glut einen langen Lichtstrahl
auf den Boden der Halle.)
Ach, weh!
BLAUBART
Was siehst du?
JUDITH (presst die Hände an die Brust)
Ketten, Messer, Widerhaken,
Henkerbeile …
BLAUBART
Das ist die Folterkammer, Judith.
JUDITH
Schrecklich ist die Folterkammer.
Blaubart! Schrecklich, schrecklich!
BLAUBART
Fürchtest du dich?
JUDITH (fährt zusammen)
Blutig ist die Wand deiner Burg!
Deine Burg blutet!
Blutig … blutig …
BLAUBART
Fürchtest du dich?
JUDITH
Nein! Ich fürchte mich nicht.
Schau, es hellt sich auf, nicht wahr?
Schau das Licht an! Siehst du es?
Schöne Lichtquelle.
BLAUBART
Rote Quelle, blutige Quelle.
Judith (erhebt sich)
Schau mal, schau mal, es dämmert schon!
Schau mal, schau mal!
Alle Türen müssen aufgeh’n.
Wind soll wehen, Sonne scheinen,
Alle Türen müssen aufgeh’n!
BLAUBART
Du weißt nicht, was sie verbergen.
JUDITH
Gib mir auch die anderen Schlüssel!
Gib mir auch die anderen Schlüssel!
Alle Türen muss man öffnen, alle Türen!
BLAUBART
Judith, Judith, warum willst du es?
JUDITH
Weil ich dich liebe!
BLAUBART
Dunkler Grund von meiner Burg erzittert,
Alle Türen kannst du öffnen,
Alle Türen kannst du schließen.
(Blaubart reicht Judith den zweiten Schlüssel.
Ihre Hände berühren sich
im roten Lichtschein.)
Gib acht, gib acht auf meine Burg,
Vorsicht, Judith, gib acht auf uns!
JUDITH (geht zur zweiten Tür)
Leise, sachte werd’ ich öffnen.
Leise sachte.
(Das Schloss schnappt, und die zweite
Tür tut sich auf. Durch ihre Öffnung
strömt rötlichgelbes Licht in den Raum,
gleichzeitig düster und furchterregend.)
BLAUBART
Was siehst du?
JUDITH
Hunderte von scharfen Waffen,
Schauderhafte Kriegsgeräte.
BLAUBART
Das ist die Waffenkammer, Judith.
JUDITH
Blaubart, ach, wie mächtig bist du,
Ach, wie grausam mächtig bist du!
BLAUBART
Fürchtest du dich?
JUDITH
Trock’nes Blut an deinen Waffen,
Blutig all die Kriegsgeräte.
BLAUBART
Ist dir bange?
JUDITH (wendet sich wieder
Blaubart zu)
Gib mir auch die anderen Schlüssel!
BLAUBART
Judith, Judith!
JUDITH
Da die andre Quelle, schöne Lichtquelle.
Siehst du’s? Siehst du’s?
Gib mir auch die anderen Schlüssel!
BLAUBART
Gib acht, gib acht auf uns, Judith!
JUDITH
Gib mir auch die anderen Schlüssel!
BLAUBART
Du weißt nicht, was die Türen bergen.
JUDITH
Kam zu dir, weil ich dich liebe.
Hier bin ich, ich bin die deine.
Führe mich jetzt überall hin,
Öffne, Blaubart, alle Türen!
BLAUBART
Dunkler Grund von meiner Burg erzittert,
Wonne schaudert aus dem Felsen.
Judith, Judith, kühl und süß ist’s,
Offner Wunde Blut entrinne.
JUDITH
Kam zu dir, weil ich dich liebe,
Öffne nun schon alle Türen!
BLAUBART
Noch drei Schlüssel gebe ich dir.
Du wirst sehen, darfst nicht fragen,
Was du auch siehst, frage niemals!
JUDITH
Gib mir also die drei Schlüssel!
BLAUBART (gibt sie ihr)
Was hält dich zurück?
Warum schließt du nicht auf?
JUDITH
Meine Hand findet das Schloss nicht.
BLAUBART
Fürchte dich nicht, es gibt kein Zurück.
(Judith dreht den Schlüssel um.
Mit warmem, tiefem Eisenklang öffnet sich
die dritte Tür. Der golden schimmernde
Lichtstrahl ergießt sich neben die anderen
Streifen auf den Boden.)
JUDITH
Wieviel Schätze! Wieviel Schätze!
Gold’ne Münzen, Diamanten,
Perlenreiche Prachtjuwelen, gold’ne Kronen,
Prunkgewänder.
BLAUBART
Meiner Feste Schatzgewölbe.
JUDITH
Wie reich bist du, Blaubart.
BLAUBART
Dir gehören nun all die Schätze,
Perlen, Gold und Diamanten.
JUDITH (erhebt sich plötzlich)
Blutbefleckt das Goldgeschmeide!
Blutig ist die schönste Krone!
BLAUBART
Öffne nun die vierte Türe,
Sonne scheine, öffne, öffne …
(Judith wendet sich rasch der vierten
Tür zu und reißt sie auf. Blumenzweige schlagen
durch die Türöffnung herein, und ein blaugrünes
Viereck tut sich in der Wand auf. Auch dieser neue
Lichtstrahl ergießt sich neben die anderen auf den Boden.)
JUDITH
Schöne Blumen! Garten voller Duft!
Unter hartem Fels verborgen.
BLAUBART
Meiner Burg geheimer Garten.
JUDITH
Viele Blumen!
Menschengroße Lilienblüten,
Kühle, weiße Rosenbüsche,
Rotglühende schöne Nelken.
Nie sah ich ein’ solchen Garten.
BLAUBART
Jede Blume neigt sich vor dir,
Jede Blume neigt sich vor dir.
Du lässt sie sprießen, du lässt sie welken,
Du lässt sie schöner erblühen.
JUDITH (bückt sich plötzlich)
Blutig sind die Rosenwurzeln,
Blutig auch der Blumen Erde.
BLAUBART
Deinem Blick erschließen sie sich,
Dich begrüßen sie am Morgen.
JUDITH (steht auf und wendet sich Blaubart zu)
Wer begoss des Gartens Erde?
BLAUBART
Lieb mich, Judith, frage niemals …
Sieh doch, meine Burg erhellt sich.
Öffne nun die fünfte Türe!
(Judith eilt ganz plötzlich zur fünften
Tür und reißt sie auf. Die fünfte Tür öffnet sich.
Ein hoher Erker wird sichtbar, ein weiter Ausblick,
und in glitzernder Pracht ergießt sich das Licht in
den Raum. Geblendet, hält sie die Hände vor die Augen.)
JUDITH
Ah!
BLAUBART
Schau, das ganze Land mein eigen,
Weite Ferne – keine Grenzen.
Nicht wahr, schön ist’s, hat kein Ende?
JUDITH (schaut zerstreut hinaus)
Schönes, großes Land besitzt du.
BLAUBART
Seid’ne Wiesen, samt’ne Wälder,
Lange silbern’ Flüsse fließen,
Blaue Berge in der Ferne.
JUDITH
Schönes, großes Land besitzt du.
BLAUBART
Dir gehört nun, Judith, alles.
Dämmerung und Morgenröte,
Sonne, Mond und alle Sterne
Wohnen hier in meinem Reiche.
Für dich sind sie Spielgefährten.
JUDITH
Blutig’ Schatten wirft die Wolke!
Was sind das für Wolken, Blaubart?
BLAUBART
Schau, wie meine Burg da funkelt,
Es ist das Werk deiner Hände,
Gesegnet sind deine Hände.
(Er breitet die Arme aus.)
Leg sie an mein Herz, die Hände!
JUDITH (regt sich nicht)
Nein, zwei Türen sind noch verschlossen.
BLAUBART
Mögen sie verschlossen bleiben.
Lieder sollen hier erklingen.
Komm doch, komm, ich möcht’
dich küssen!
JUDITH
Öffne auch die letzten Türen!
BLAUBART
Judith, Judith, lass nicht warten,
Komm doch, komm, ich möcht’ dich küssen!
JUDITH
Öffne auch die letzten Türen!
BLAUBART (lässt die Arme fallen)
Dein Wunsch war’s, dass es sich lichte,
Schau, wie schön die Burg schon strahlt!
JUDITH
Keine deiner vielen Türen
Darf vor mir verschlossen bleiben.
BLAUBART
Achte, achte auf meine Burg,
Sie wird nimmer heller werden.
JUDITH
Heißt es leben oder sterben,
Blaubart, öffne die zwei Türen,
Blaubart, Blaubart!
BLAUBART
Warum willst du es, warum willst du es?
Judith, Judith!
JUDITH
Öffne, öffne!
(Judith steckt Blaubart wortlos,
fordernd die Hand entgegen. Blaubart
übergibt den Schlüssel. Als der Schlüssel
sich dreht, ist ein tiefer, schluchzender
Seufzer zu hören.)
BLAUBART
Ich gebe dir noch einen Schlüssel.
(Judith tritt mit rascher Bewegung
zur Tür und öffnet sie. Es scheint,
als würde ein Schatten durch die Halle
huschen; der Raum wird etwas dunkler;
Judith weicht zurück.)
Judith, Judith, öffne sie nicht!
JUDITH
Stillen, weißen Weiher seh’ ich,
Unbewegten, weißen Weiher.
Welche Quelle speist den Weiher, Blaubart?
BLAUBART
Tränen sind das, Judith, Tränen.
JUDITH
Ah, wie stumm und ruhig ist er.
BLAUBART
Tränen, Judith, Tränen, Tränen.
JUDITH
Reglos, weißes, klares Wasser.
BLAUBART
Tränen, Judith, Tränen, Tränen.
Komm doch, komm doch,
Lass dich küssen!
Komm doch, Judith, sieh, ich warte!
Die letzte Tür schließ’ ich nicht auf,
Schließ’ ich nicht auf.
JUDITH
Blaubart … Liebe mich doch!
(Blaubart umarmt sie, langer Kuss.
Ihr Kopf ruht an Blaubarts Schulter.)
Liebst du mich sehr, Blaubart?
BLAUBART
Du gibst meiner Burg das Licht,
Küss mich, küss mich, frage niemals!
(Blaubart küsst sie lange.)
JUDITH (Ihr Kopf ruht an Blaubarts Schulter.)
Sag mir, sag mir, Blaubart,
Wer vor mir in deinem Arm lag?
BLAUBART
Du gibst meiner Burg das Licht,
Küss mich, küss mich, frage niemals!
JUDITH
Sag mir, sag mir, wie’s mit ihr war!
War sie schöner? War sie anders?
Erzähl es mir, Blaubart!
BLAUBART
Judith, lieb mich, frage niemals!
JUDITH
Erzähl es mir, Blaubart!
BLAUBART
Judith, lieb mich, Judith, frage niemals!
JUDITH
Öffne die siebente Türe!
Weiß ich, weiß ich, Blaubart,
Was die siebente Tür birgt.
Trock’nes Blut an deinen Waffen,
Blutig auch die schönste Krone,
Blutig deiner Blumen Erde,
Blutig Schatten wirft die Wolke.
Weiß ich’s, weiß ich’s, Blaubart,
Wessen Träne dort im Weiher.
Dort sind all die früheren Frauen,
Im Blut liegend, hingemordet.
Ah, flüsternd Kunde, ist ja doch wahr.
BLAUBART
Judith!
JUDITH
Wahr ist’s, wahr ist’s,
Ich will aber alles wissen.
Öffne nun die siebente Tür!
BLAUBART
Also nimm ihn … nimm …
Hier auch noch den letzten Schlüssel.
(Judith betrachtet den Schlüssel starr,
greift aber nicht nach ihm.)
Öffne, Judith, schau sie doch an!
Dort sind meine früheren Frauen.
(Judith bleibt noch eine Weile bewegungslos.
Dann nimmt sie langsam mit unsicherer Hand den
Schlüssel, geht wankenden Schrittes zur siebenten
Tür und öffnet sie. Beim Schnappen des Schlosses
schließt sich mit leisem Seufzer die sechste und
die fünfte Tür. Der Raum wird bedeutend dunkler.
Nur die vier farbigen Lichtstrahlen, die durch
die vier gegenüberliegenden Türöffnungen eindringen,
erleuchten die Halle. Gleich darauf öffnet sich
die siebente Tür, und das hereinfallende,
mondsilberne Licht beleuchtet Judiths und
Blaubarts Gesichter.)
Schau all’ meine früheren Frauen,
Schau all’, die ich geliebt habe!
JUDITH (weicht bestürzt zurück)
Ja, sie leben, hier leben sie!
(Aus der siebenten Tür treten die früheren
Frauen hervor. Es kommen drei Frauen, gekrönt
und mit Schmuck beladen, in Glorie. Sie kommen
stolzen Schrittes hintereinander, ihre Gesichter
sind bleich, und bleiben vor Blaubart stehen.
Er sinkt in die Knie.)
BLAUBART
(mit ausgebreiteten Armen, wie im Traum)
Schön sind sie doch, allerschönste,
Stets lebendig, nie vergessen,
Viele Schätze häuften sie mir,
Meine Blumen gossen sie mir,
Auch mein Reich vermehrten sie mir,
Ihnen gehört alles, alles.
JUDITH
(steht gebrochen, ängstlich als Vierte neben ihnen)
Wie schön sind sie, wie reich sind sie,
Ich dagegen, arme Bettlerin.
BLAUBART (erhebt sich; mit flüsternder Stimme)
In der Früh fand ich die erste,
Roter, duft’ger Morgen war es.
Ihr gehört nun jeder Morgen,
Ihr sein kühler, roter Mantel,
Ihr auch seine Silberkrone,
Ihr gehört nun jeder Morgen.
JUDITH
Schöner als ich, reicher als ich.
(Die erste Frau geht langsam zurück.)
BLAUBART
Mittags fand ich wohl die zweite,
Stummer, heißer Mittag war es.
Ihr gehört nun jeder Mittag,
Ihr sein schwerer Feuermantel,
Ihr die gold’ne Sonnenkrone,
Ihr gehört nun jeder Mittag.
JUDITH
Schöner als ich, reicher als ich.
BLAUBART
Abends fand ich dann die dritte,
Friedvoll, matter Abend war es.
Ihr gehört nun jeder Abend,
Ihr sein dunkler Trauermantel,
Ihr gehört nun jeder Abend.
JUDITH
Schöner als ich, reicher als ich.
(Blaubart bleibt vor Judith stehen.
Sie schauen sich lange in die Augen.
Die vierte Tür schließt sich langsam.)
BLAUBART
In der Nacht fand ich die vierte.
JUDITH
Blaubart, warte, warte!
BLAUBART
Sternenreiche, schwarze Nacht war es.
JUDITH
Schweige, schweige, noch bin ich da!
BLAUBART
Ah, wie glänzte hell dein Antlitz,
Dunkle Haare trieben Wolken,
dir gehören all’ die Nächte.
(Blaubart geht zur dritten Tür und
holt von der Schwelle Krone, Mantel,
Schmuck, die Judith dorthin gelegt hatte.
Die dritte Tür schließt sich.
Blaubart hängt Judith den Mantel um.)
Dir gehört ihr Sternenmantel.
JUDITH
Blaubart, ich will ihn nicht.
BLAUBART
Dir die Diamantenkrone.
JUDITH
Ach, ach, Blaubart, nimm sie ab!
BLAUBART
Dir mein teuerstes Geschmeide.
JUDITH
Ach, ach, Blaubart, nimm es ab!
BLAUBART
Schön bist du, die Allerschönste,
du warst doch die Allerschönste!
(Sie schauen sich lange in die Augen.
Judith beugt sich langsam unter der
Last des Mantels und geht gesenkten,
diamantengekrönten Hauptes den silbernen
Lichtstrahl entlang durch die siebente
Tür zu den anderen Frauen.
Auch diese Tür schließt sich.)
Und von nun an bleibt immer Nacht,
Nacht … Nacht …
(Auf der Bühne völlige Dunkelheit,
Blaubart verschwindet in ihr.)